Mechanistische Zellbiologie
Sie ist mit bloßem Auge kaum sichtbar und doch enthält sie alles, was es für die Weitergabe des Lebens von einer Generation zur nächsten braucht: Gerade einmal einige Hundertstel Millimeter groß ist eine durchschnittliche menschliche Zelle. Billionen davon bilden später den erwachsenen Organismus. Möglich ist das Wunder des Wachstums nur durch die Wiederholung eines Prozesses, der fehlerfrei ablaufen muss: die Zellteilung, bei der aus einer Zelle zwei identische Tochterzellen entstehen.
Zwar sind die Schritte des Vorgangs grob bekannt. Unklar ist jedoch, wie die Zellteilung im Detail funktioniert. Denn der Prozess ist hochkomplex. Wie von Geisterhand, so scheint es, finden sich vor der Teilung Hunderte von verschiedenen Bausteinen in der Zelle akkurat zusammen, bilden intrazelluläre Schienen, Gerüste und molekulare Motoren und bauen so den Spindelapparat auf. Wieder andere Maschinen prüfen unterdessen, ob sich das genetische Material korrekt verdoppelt, verdichtet und sortiert hat, bevor die Teilungsspindel die Chromosomen schließlich fein säuberlich auseinanderziehen.
In unserer Abteilung untersuchen wir die unterschiedlichen molekularen Mechanismen, die gewährleisten, dass das Erbmaterial korrekt auf die beiden Tochterzellen verteilt wird. Dazu erforschen wir die Struktur und Funktion einer Vielzahl von Proteinen, die daran beteiligt sind. Vor allem jene, die das Kinetochor – die Anheftungsstelle für die Fasern des Spindelapparats – bilden sowie die des sogenannten "Spindle assembly checkpoint", welche die komplexe Maschinerie der Zellteilung steuern. Auf diese Weise sind wir zum Beispiel auf Proteine gestoßen, die fehlerhaft angeordnete Chromosomen erkennen und den Teilungsvorgang so lange anhalten, bis die Defekte korrigiert sind.
Erst vor kurzem gelang es uns die Struktur des Kinetochors zu analysieren und künstlich nachzubauen. Auf diese Weise konnten wir herausfinden, wie die verschiedenen Kinetochor-Proteine zusammenarbeiten, damit die Chromosomen fest genug an die Mikrotubuli binden. Mit dem Nachbau des Kinetochors haben wir eine Basis für weitere strukturelle und funktionelle Untersuchungen der komplexen Kinetochor-Architektur geschaffen. Das Ziel ist es, die gesamte Zellteilung künstlich nachzuvollziehen. "Denn nur wenn wir solche Abläufe und Bestandteile der Zelle nachbauen, können wir auch vollständig verstehen, wie sie funktionieren" (Prof. Dr. Andrea Musacchio).
Das ganzheitliche Verständnis dieser Prozesse ist von großer Bedeutung, da eine Falschverteilung von genetischem Material Entwicklungsschäden und Abnormitäten verursachen kann. Ein Versagen der Kontrollmechanismen kann sogar zur Entstehung bösartiger Tumoren führen.