Eurostars-Förderung für methodische Innovation in der Kryo-Elektronenmikroskopie

Eurostars-Förderung für methodische Innovation in der Kryo-Elektronenmikroskopie

31. Juli 2019

Als Partner eines Forschungskonsortiums erhält die Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Stefan Raunser, Abteilungsdirektor am Max-Planck-Institut für molekulare Physiologie in Dortmund, BMBF-Fördermittel in beträchtlicher Höhe. Zusammen mit der Universität in Twente und den niederländischen Unternehmen DelmicDemcon kryoz und CryoVac aus Troisdorf wollen die Dortmunder Wissenschaftler innovative Methoden und verbesserte Arbeitsabläufe für die Untersuchung biomedizinischer Proben mittels Kryo-Elektronentomografie entwickeln. Das Verbundprojekt wird über Eurostars, einem gemeinsamen Förderprogramm der Europäischen Forschungsinitiative EUREKA und der europäischen Kommission, mit 2 Millionen Euro aus jeweils nationalen Mitteln finanziert.

 

Mit Kryo-Elektronenmikroskopie in die Welt der Zellen und Biomoleküle

Proteine sind Biomoleküle und die Funktionsträger des Lebens in den Zellen des Körpers. Sie steuern alle wichtigen biologischen Vorgänge. Dazu kommunizieren und interagieren sie in Netzwerken, wobei sie auch größere Komplexe mit anderen Proteinen bilden. Proteine sind u.a. verantwortlich, dass unser Stoffwechsel funktioniert und dass wir unsere Umwelt wahrnehmen. Zum Beispiel befördert das Protein Hämoglobin den Sauerstoff im Blut. Muskeln bestehen aus den Proteinen Myosin und Aktin. Die Information zum Aufbau der Proteine ist in den Genen enthalten. Genmutationen erzeugen veränderte Proteine, die dann krankheitsauslösende Eigenschaften haben können.

Bereits kleinste Veränderung in der Struktur von Proteinen können schon dazu führen, dass sie nicht mehr mit ihren vorgesehenen Bindungspartnern interagieren oder nicht mehr zur richtigen Zeit am richtigen Ort sind -  oft mit gravierenden Folgen für die Gesundheit.

Wie sich z.B. Mutationen auf Proteine auswirken, kann mit der Kryo-Elektronenmikroskopie (Kryo-EM) untersucht werden. Diese 2017 mit dem Nobelpreis ausgezeichnete Technik ermöglicht es, die dreidimensionale Struktur von Proteinen in nahezu atomarer Auflösung zu analysieren und somit krankheitsrelevante Veränderungen  zu untersuchen.

Die Methode wurde bisher vor allem zur Untersuchung der Feinstruktur von einzelnen aus Zellen isolierten Proteinen eingesetzt. Das MPI in Dortmund ist eine der führenden Forschungseinrichtungen auf diesem Gebiet. Nun gilt es, das große Potenzial der Kryo-EM auch zur Untersuchung von großen biologischen Präparaten (Zellverbände, Gewebeproben etc) zu nutzen. Die Herausforderung besteht darin, die Struktur und Funktionen der Biomoleküle in ihrer natürlichen zellulären Umgebung zu analysieren.

Eine Möglichkeit dazu bietet eine Variante der Methode: Bei der Kryo-Elektronentomografie werden Zellen oder Gewebe mit hoher Geschwindigkeit tiefgefroren. Dadurch erstarrt das enthaltene Wasser blitzartig in einem glasartigen Zustand. So können keine  Eiskristalle entstehen, die die Zellstrukturen zerstören würden. Die gefrorenen Präparate werden dann möglichst kontaminationsfrei und ohne Unterbrechung der Kühlkette in das EM transferiert, wo sie bei ca. -190°C  untersucht werden. Wie bei der Computertomografie in der medizinischen Diagnostik werden zunächst zweidimensionale Bilder aus verschiedenen Blickwinkeln aufgenommen und dann zu einem dreidimensionalen Bild verrechnet.  

Allerdings ist diese Technik durch die aufwendige Vorbereitung und Prozessierung der Proben mit einem derart hohen technischen Aufwand verbunden, so dass sie bisher nur von wenigen Laboratorien auf der Welt beherrscht wird.

Das Konsortium mit jahrelanger Erfahrung im Bereichen der Kryo-Elektronenmikroskopie, der Tieftemperaturtechnik und im Vakuumanlagenbau will die Fördermittel einsetzen, um die aufwendigen Arbeitsabläufe bei der Kryo-Tomographie zu vereinfachen und auch die Untersuchung dickere Gewebeschnitte zu ermöglichen. Dazu gehört die Entwicklung verbesserter Methoden zum kontaminationsfreien Transfer der Proben in das Mikroskop sowie zur Archivierung der gefrorenen Präparate. Mit der Einführung des neuen Arbeitsablaufs CETFlow (Cryogenic Electron Tomography WorkFlow) soll die Kryo-Elektronentomografie einem größeren Anwenderkreis zugänglich gemacht werden, um die Technik letztendlich auch für konkrete medizinische Fragestellungen nutzen zu können.

Zusatzinformationen zum Konsortium

Delmic
Delmic, ein mittelständisches holländisches Unternehmen mit exzellenter Erfahrung auf dem Gebiet der korrelativen Licht-und Elektronenmikroskopie, ist Projektleiter des Konsortiums.

Demcon kryoz
Demcon kryoz gehört zur Demcon Gruppe, die über 600 Mitarbeiter beschäftigt. Demcon kryoz entwickelt innovative Kühltechnologien und -lösungen für verschiedene Anwendungsbereiche, einschließlich der Medizin, der Luft- und Raumfahrt und für die Forschung. Ihre Expertise liegt in der Entwicklung von kryogenen Plattformen.

CryoVac
CryoVac ist ein mittelständisches Unternehmen aus Troisdorf und hat eine lange Tradition in der Herstellung von Tieftemperatur- und Vakuumanlagen.

Forschungsgruppe Dr. Srinivas Vanapalli, Universität Twente
Die Gruppe von Srinivas Vanapalli an der Universität Twente erforscht neue Kühlsysteme.

Zusatzinformationen zur Eurostars-Förderung

Das Bundesforschungsministerium (BMBF) fördert mit Hilfe von Eurostars deutsche KMU, die in europäischen Projektkooperationen innovative Produkte entwickeln.
Eurostars ist ein gemeinsames Förderprogramm von EUREKA und der Europäischen Kommission, das auch unter Horizont 2020 unter dem Namen Eurostars 2 fortgeführt wird. Ziel von Eurostars ist es, kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) verstärkt für eine europäische Zusammenarbeit in Forschungs- und Entwicklungsprojekten zu motivieren. Dabei funktioniert Eurostars nach dem gleichen Prinzip wie die übergeordnete Initiative EUREKA: Eurostars-Projekte sind technologieoffen und dienen zivilen Zwecken. Sie zielen auf die Entwicklung eines innovativen Produktes, Verfahrens oder einer Dienstleistung. Nach dem sogenannten „Bottom-up-Prinzip“ können die Projektinhalte von den teilnehmenden Partnern frei bestimmt werden.

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