Systemische Zellbiologie

Alles Leben auf der Erde hat eines gemeinsam: ständige Aktivität. Auch wenn Zellen keinen erkennbaren Impuls von außen bekommen, wenn sie zu ruhen scheinen oder sogar über Jahre die gleiche äußere Gestalt behalten, müssen sie permanent arbeiten. Anders als bei statischen, von Menschenhand errichteten Gebäuden, ist allein schon die Struktur lebender Zellen hochdynamisch.

Ganz zu schweigen von Prozessen wie der Zellteilung, der Muskelkontraktion oder der Morphogenese des Menschen, bei der aus einer einzigen befruchteten Eizelle innerhalb mehrerer Monate ein Kind entsteht. Das Erstaunlichste daran ist: All diese Prozesse laufen selbstorganisiert ab. Und vieles spricht dafür, dass die große Komplexität der belebten Natur auf der Kombination einiger weniger, einfacher Regeln beruht. Dazu zählen die zufällige Fluktuation von Molekülen, deren lokale Wechselwirkungen, das Prinzip der negativen Rückkoppelung und autokatalytische Loops.

In unserer Abteilung erforschen wir genau diese Mechanismen und Netzwerke. Wir wollen herausfinden, wie sie funktionieren, welche Dynamiken dahinter stecken und wie sich zentrale Prozesse wie etwa die Zellteilung oder die ungebremste Vermehrung von Krebszellen durch gezielte Eingriffe in diese Schaltkreise beeinflussen lassen. Darüber hinaus entwickeln wir selbst quantitative, experimentelle und theoretische Methoden, um die räumliche und dynamische Organisation von zellulären Netzwerken in lebenden Zellen zu untersuchen.

So ist es uns zum Beispiel gelungen, ein Verfahren zu entwickeln, mit dem man erstmals Bewegungsmuster von Molekülen in lebenden Zellen im Nanometerbereich erfassen und beobachten kann. Der Trick, der dies möglich macht, ist ein erzwungener Stillstand der Zellen in Kombination mit dem Prinzip des klassischen Daumenkinos: Man erstellt mit hochauflösenden Fluoreszenzmikroskopen mehrere Momentaufnahmen von der Bewegung einzelner Proteine. Das Problem dabei: Eigentlich bewegen sich die Moleküle viel zu schnell, um scharfe Bilder schießen zu können. Doch es gibt einen Ausweg: Man versetzt die Zellen in eine Kältestarre und hält Abläufe einfach an. Dann schießt man ein Bild – und lässt die Abläufe in der Zelle durch Erwärmen wieder weiterlaufen, um sie nach kurzer Zeit erneut anzuhalten und ein neues Bild zu machen. Am Ende entsteht so ein „Film“ von den Bewegungs- und Aktivitätsmustern einzelner Moleküle. 

Mit einem neuen Ansatz, bei dem Zellen mit enormen Geschwindigkeiten von bis zu 200.000 °C pro Sekunde auf -196°C abgekühlt werden, ist es uns nun gelungen eine einzigartige Konservierung der natürlichen Anordnung zellulärer Biomoleküle zu erreichen. Bei dieser niedrigen Temperatur konnten wir sowohl die molekulare Bewegung als auch die lichtinduzierte Zerstörung umgehen, was die Beobachtung von molekularen Mustern des Lebens ermöglicht, die ansonsten unsichtbar sind.


Forschungsgruppen

Bastiaens I Bieling I Schröter

Assoziierte Forschungsgruppen

Grecco   I   Morelli   

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