Roger Goody

Roger Goody

Emeritusgruppe, Physikalische Biochemie


Research Concept

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Komplexe Prozesse, die allzu leicht durcheinander geraten und im Stoffwechsel der Zelle Chaos anrichten könnten. Doch die Zellen aller höheren Organismen haben einen geschickten Ausweg gefunden: Für die unterschiedlichen biochemischen Vorgänge haben sie getrennte, von Biomembranen umhüllte Reaktionsräume entwickelt, die so genannten Kompartimente oder Organellen. 
Seit einiger Zeit weiß man bereits, dass zwischen diesen Kompartimenten ein reger Transport von Molekülen wie Proteinen oder Lipiden stattfindet, die in kleine Bläschen - die Vesikel – verpackt sind.

Unklar war in vielen Fällen allerdings, wie der Transport und die Sortierung der Vesikel im Detail gesteuert werden. Roger Goody und seinen Mitarbeitern ist es jedoch in den vergangenen Jahren gelungen, Licht ins Dunkel dieser Prozesse zu bringen. Mit Hilfe physikalischer und chemischer Verfahren wie der Röntgenkristallanalyse, der Fluoreszenz-Mikroskopie, trickreichen chemischen Synthesen und dem so genannten Protein-Engineering konnten sie die Struktur und die Funktion mehrerer Moleküle aufklären, die für die Logistik gesunder Zellen eine Schlüsselrolle spielen und bei Defekten zu Krebs, Erblindung oder geistiger Retardierung führen können. 

Im Mittelpunkt dieser Untersuchungen steht eine Gruppe von Eiweißmolekülen, die Wissenschaftler als Rab-Proteine bezeichnen. Sie bilden die größte Untergruppe der so genannten Ras-Proteine: Ähnlich wie die Schalter an Rasierapparat, Radio oder Fön sorgen all diese Moleküle dafür, dass wichtige Zellvorgänge zum richtigen Zeitpunkt starten und – sobald sie nicht mehr benötigt werden – auch wieder stoppen. 

Die Rab-Proteine unter ihnen sind dabei auf eine „Lotsen“-Funktion spezialisiert: Sie kontrollieren den Transport und die Verschmelzung der Vesikel mit den unterschiedlichen Kompartimenten. Um ihre Aufgabe korrekt erfüllen zu können, so weiß man heute, müssen Rab-Proteine jedoch stets erst noch mit einem passenden „Anhang“ ausgestattet werden: Erst wenn ein kurzes Fettsäuremolekül, ein so genannter Lipidrest, an sie geheftet ist, können sie sich mit einer Membran verbinden und ihre Funktion richtig erfüllen. 

Wie essentiell die korrekte Verknüpfung von Rab-Proteinen mit ihren Lipidresten ist, zeigt sich beispielsweise an einer Krankheit namens Choroideremia, deren Ursachen Goody und seine Mitarbeiter seit einigen Jahren in einem ihrer Projekte untersuchen. Durch einen genetisch bedingten Baufehler in einem Rab-Partner-Protein, dem so genannten Rab Escort Protein REP-1, erhalten große Mengen des Rab-Proteins Rab27 keinen Lipidrest und sammeln sich daher übermäßig in der Zellflüssigkeit an. Die Folge dieser Akkumulation von unfertigen Rab27-Proteinen ist ein massenhaftes Absterben von Sehzellen, die zu einer fortschreitenden Zerstörung der Netzhaut führt. Schon als Kind werden die Betroffenen nachtblind, später verlieren viele von ihnen das Augenlicht ganz. Zwar verfügen menschliche Zellen noch über ein zweite Form des REP-Proteins (REP-2). Doch dieses schien das Problem nicht verhindern zu können. Der einzige Weg, den Untergang der Sehzellen zu verhindern, so vermuteten Forscher daher, bestünde darin, eine intakte Kopie des REP-1-Gens per Gentherapie in die Zellen einzuschleusen – was bislang unmöglich ist. 

Jüngste Untersuchungen von Goody und seinen Mitarbeitern haben aber gezeigt, dass es vielleicht auch anders geht. Mit einer neuartigen Kombination von chemischen und molekularbiologischen Verfahren ist es den Wissenschaftlern kürzlich als Ersten gelungen, das Zusammenwirken der beteiligten Proteine in Echtzeit aufzuzeichnen. Dabei zeigte sich: Nicht nur REP-1, sondern auch REP-2 ist prinzipiell in der Lage, Fettsäurereste an Rab27-Proteine zu heften und sie so zu funktionsfähig zu machen. Ob das in ausreichender Menge gelingt, ist jedoch offensichtlich eine Frage der Konzentration. Wie Goodys Team mit Hilfe fluoreszierender synthetischer Rab-Proteine herausfand, konkurrieren in den Zellen nämlich mehrere Arten von Rab-Proteinen um eine „Paarung“ mit den REP-Proteinen. Die schlechtesten Chancen, so zeigte sich, hat dabei Rab27: Liegen nur geringe Mengen von REP-Proteinen vor, geht Rab27 bei der Versorgung mit Fettsäureresten weitgehend leer aus. 

Diese Erkenntnisse liefern einen völlig neuen Ansatz für die Behandlung von Choroideremia: Sollte es gelingen, die Aktivität des verbleibenden REP-2-Proteins in den Zellen der Patienten mit Hilfe von Medikamenten zu erhöhen, dann ließen sich womöglich der fatale Untergang von Sehzellen und damit auch die Erblindung der Betroffenen auch ohne Gentherapie erfolgreich verhindern.


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